A Girlfriend for Elsa?
Wohl kaum ein Disney-Fan, ob man nun zu den alten Hasen oder der ganz jungen Generation angehört, dürfte an Disney’s Erfolgshit Frozen – Die Eiskönigin vorbeigekommen sein. Die Geschichte basiert lose auf dem Märchen der Schneekönigin von Hans Christian Anderson und erzählt die Geschichte zweier ungleicher Schwestern, die ein so starkes Band verbindet, dass es sogar einen tödlichen Fluch abwehren kann.
Obwohl Oscarpreisträger Frozen größtenteils durch seine Optik und Musik überzeugt, ist der Film schon früher Mittelpunkt vieler Diskussionen gewesen, sowohl negativer wie positiver.
Viele Fans befürworten Disney’s neuen Trend aus den alten Klischees auszubrechen, so wird in dem Film die Liebe auf den ersten Blick mit anschließender Heirat kritisch hinterfragt und reine Liebe wird nicht ausschließlich zwischen Mann und Frau thematisiert, sondern in dem Band geschwisterlicher Verbundenheit dargestellt. Im Grunde viele gute Ansätze, doch es wurden auch andere Stimmen laut, so wurde die Botschaft des Films in vielerlei Hinsichten missinterpretiert. Es wurde behauptet Annas und Elsas Beziehung würde die jungen Zuschauer ‚homosexuell‘ machen, da auf reine Frauenpower ohne den Retter in der Not gesetzt wurde, allgemein kämen Männer in dem Film schlecht weg und – was nicht unbedingt als negativ zu erachten ist – viele Zuschauer interpretierten den berühmten Song ‚Let it Go‘ als indirektes Coming Out für Elsa.
An dem Punkt fängt es an, interessant zu werden, denn Elsa geht am Ende des Films leer aus. Anders als ihre Schwester Anna, findet sie keinen Partner und Gerüchte verbreiten sich, worum es in Disney’s angekündigter Fortsetzung gehen wird. Besonders stark wird die Frage nach dem möglichen Love Interest für Elsa diskutiert, denn viele Zuschauer finden, es wäre Zeit, dass Disney im ‚einundzwanzigsten Jahrhundert‘ ankommt. Kurz gesagt, sie fordern einen weiblichen Love Interest für Elsa, was sie zur ersten homosexuellen Protagonistin in der Geschichte Disneys machen würde. Eine afroamerikanische Prinzessin gibt es schließlich auch, wäre es da nicht Zeit, für einen weiteren Schritt?
Andere Filmstudios wie Dreamworks sind bereits mit gutem Beispiel voran gegangen und haben bestätigt, dass der Charakter Grobian aus Drachenzähmen leicht gemacht, homosexuell ist – sehr subtil in den Film eingebaut, dass es sogar so mancher Erwachsener nicht merkt, geschweige denn ein Kind. Denn um die Kinder geht es in diesem Fall.
Das große Tabu-Thema
Obwohl es in der heutigen Zeit tatsächlich kein Problem sein sollte, ist vielen die Darstellung von Homosexualität in den Medien ein Dorn im Auge, geschweige denn, dass es in einen Kinderfilm gehört. Mit der aufgekommenen Debatte um Elsa wird dies besonders deutlich. Schaut man sich die Kommentare unter den Artikeln an, fällt sofort ins Auge, wie viele sich negativ gegen eine homosexuellen Disney Prinzessin aussprechen. So ein Thema habe in einem Kinderfilm nichts zu suchen, Kinder würden das nicht verstehen. Es würde sie überfordern und verwirren.
Aber verwirrt es Kinder wirklich? Zuerst mal kann man sagen, es wird ihnen auffallen. Natürlich, denn Kinder bekommen sehr viel mehr mit, als man glaubt und sie verstehen auch mehr, als man ihnen zutraut und sind meist auch weitaus offener. Natürlich muss man damit rechnen, dass die Frage aufkommen wird, was es zu bedeuten hat, wenn sich zwei Mädchen ineinander verlieben. Was hier das Problem ist, ist jedoch nicht die vorgeschobene Verwirrung der Kinder, sondern viel mehr dass die Eltern in die Verlegenheit kommen, ein Konzept erklären zu müssen, das ihnen missfällt. Dabei könnte es so einfach sein: Manchmal verlieben sich Jungs und Mädchen ineinander, manchmal aber auch Mädchen in Mädchen oder Jungs in Jungs. Wird dies den Kindern vorgelebt, sollten sie es ohne Probleme aufnehmen, denn was ihnen vom Elternhaus aus vorgelebt wird, imitieren sie und nehmen es als gegeben hin. Recht einfach, sollte man meinen, doch natürlich ist die Theorie nicht so einfach, wie die Praxis.
Bei der Frage danach, was Kinder verkraften können und was nicht, kam ebenfalls das Argument auf, wieso man Homosexualität überhaupt in einem Kinderfilm thematisieren soll. Auffallend war hierbei, dass viele ‚besorgte/ empörte‘ Eltern und User gleichgeschlechtliche Liebe mit Sex gleichgesetzt haben. Ein bisschen Menschenverstand dürfte jedoch ausreichen um zu wissen, dass Disney niemals eine Erotikszene (!) in einen Kinderfilm einbauen würde, denn das wäre tatsächlich unangebracht. Dennoch sollte man eigentlich wissen, dass Liebe nicht gleich Sex ist, was einige der User jedoch nicht zu verstehen scheinen. Auch erscheint es absurd, homosexuelle Beziehungen sofort auf Sex zu reduzieren und sie als pervers hinzustellen, doch das wurde im Bezug auf den Film getan.
Ebenso kam der Einwand auf, dass die Frage nach sexueller Orientierung den Kindern aufgebürdet wird und sie dazu drängen würde, Elsas Verhalten nachzuahmen. Natürlich kann es passieren, dass Kinder nachspielen, was sie sehen, doch im Alter der Zielgruppe wird nicht über sexuelle Orientierung oder dessen Ausmaße nachgedacht. Es wird ’nachgemacht‘, gespielt und nicht gedacht Wow, Anna und Christoph heiraten und haben Sex! Genauso wenig würden sie dies von Elsa und ihrer möglichen Partnerin denken. Natürlich kann eine solche Darstellung auch beeinflussen, aber auf welche Weise ist nicht vorauszusehen. Aber es könnte auch dazu kommen, dass ein Kind, das in jungen Jahren den Film gesehen hat und nun bemerkt dass er/sie sich für Jungs/Mädchen interessiert, denkt Oh, vielleicht geht es mir ja wie Elsa? Und seien wir ehrlich, wenn man es genau sieht und nach der Logik dieses Arguments geht, wird den Kindern dann nicht durch die Disneyfilme Heterosexualität ‚aufgedrängt‘? In jedem Film, in jeder Sekunde? Und es wird nicht hinter fragt, denn das ist der unumstößliche Standard. (Auf das Argument, das Anhänger diverser Religionen ansprechen, nämlich, dass die Kinder aufgrund dessen ‚wählen‘ würden, homosexuell zu werden, gehe ich aus offensichtlichen Gründen nicht ein. Von Wahl kann hier keine Rede sein.)
Gleichwohl sollte man bedenken, welchen Einfluss ein Unternehmen wie Disney hat. Beinahe jedem sind Disneyfilme ein Begriff, fast jeder hat sie gesehen und ob man es zugibt oder nicht, sie beeinflussen uns – Wie uns alle medialen Formate beeinflussen. Kinder sind davon nicht ausgeschlossen. Ihre Welt dreht sich um Filme, Bücher, Märchen, Geschichten. Und was wird den Kindern im Bezug auf Liebesbeziehungen gezeigt? Bei Disney war es bisher Schema F: hübsche Prinzessin lässt sich vom hübschen Prinz retten, sie heiraten und bekommen Kinder. Das ist es, was ihnen als ’normal‘ vorgelebt wird. Was würde also passieren, wenn auf ähnliche Weise Mann/Mann und Frau/Frau miteinander interagieren? Homosexuelle Liebe hat in Kinderfilmen nichts zu suchen, heißt es. Aber was ist mit heterosexueller Liebe? Wenn das Argument losgetreten wird, Kinder sollten damit noch nicht konfrontiert werden, wieso ist es dann in Ordnung, sie schon von klein auf mit Standard- Beziehungen zu konfrontieren und sie in Schubladen zu stecken? Jungs tragen blau, Mädchen tragen rosa. Niemand schreit auf, weil in jedem zweiten Film eine Liebesbeziehung zwischen Mann und Frau gezeigt wird, doch weicht man von dem Standard ab, erheben sich die Stimmen. Dabei ist Liebe Liebe, das ist die Botschaft die vermittelt werden sollte. Und auch wenn es einige nicht gerne hören, es gibt in unserer Gesellschaft Familien, in denen es zwei Mütter oder zwei Väter gibt. Würde ein Kind aus einer solchen Familie einem Disney-Film sehen, in dem es seinen Alltag widergespiegelt sieht, welche Wirkung würde der Film für diese Kinder haben? Eine positive. Denn ein weiteres wichtiges Thema wird hier angeschnitten – Repräsentation.
Gerade in jüngster Vergangenheit, man siehe die Oscars 2016, wurde das Thema Repräsentation in den Medien thematisiert. Zwar bezog sich die geäußerte Kritik hier auf die Repräsentation von Minderheiten verschiedener Nationalitäten, doch das Prinzip bleibt dasselbe. Wieso gibt es derartige Forderungen also? Aus dem selben Grund.
Viele der jungen Disney-Fans sind älter geworden und gehören einer anderen Generation an – und diese möchte Offenheit und Toleranz für Homosexualität repräsentiert sehen, möchte, dass der bisherige Standard, der in sämtlichen Medien gezeigt wird, durchbrochen wird. Würde ein Unternehmen wie Disney einen solchen Schritt wagen, wäre dies ein eindeutiges Zeichen. Dennoch wird es wohl nicht dazu kommen. Denn Disney ist und bleibt Disney und tut, was die Eltern wollen. Viele Eltern sind gegen die Darstellung einer homosexuellen Prinzessin und auch wenn die Zielgruppe von Disney größtenteils Kinder sind, sind die Eltern die zahlenden Kunden. Und die rennen weg, wenn ihnen ein Konzept nicht gefällt. Wird Elsa also eine Freundin bekommen? Nein. Höchstwahrscheinlich nicht, denn es ist ’nicht für Kinder geeignet‘.
Natürlich ist es etwas zwiespältig zu behaupten, nur weil eine Figur keinen Partner hat, sei sie homosexuell und womöglich ist Elsa nicht unbedingt geeignet, diese Rolle zu tragen, denn wenn sich Disney schon mit diesem Thema auseinandersetzt, sollten sie eventuell eine neue Figur entwickeln, die von Anfang an ohne Vorgeschichte für dieses Thema ausgelegt ist.
Aber nicht nur durch Elsa wird der Wunsch nach einer homosexuellen Protagonisten laut, auch bei der Figur Riley aus Diseny’s Inside Out gibt es in den Augen vieler Zuschauer Anzeichen. Genannt werden hier ihr maskuliner Name, dass sie sich für eine eher rüde Sportart begeistert sowie die Tatsache, dass sie als einzige Figur im ganzen Film sowohl männliche wie weibliche Emotionen besitzt. Auch ihre Outfits erinnern stark daran, so trägt sie oft Kleider in Regenbogenfarben – ein Symbol für Homosexualität. Dennoch sollte man nicht vergessen, dass es in Rileys Welt einen Festen- Freund – Generator gibt und sie am Ende des Films einen Jungen datet.
Abschließend kann ich sagen. Ja, Disney. Tut es. Ob nun mit Elsa oder nicht, wagt den Schritt und macht einen Film mit einer homosexuellen Protagonistin oder einem Protagonisten. Zu überlegen wäre, den Film FSK 12 zu setzen, damit die liebe Seele Ruhe hat und sich die Eltern keine Sorgen machen müssen, der Film würde ihre zu jungen Kinder beeinflussen oder sie müssten es ihnen erklären. Allein auf die Umsetzung würde es ankommen und die sollte einfühlsam sein. Anders, als viele vielleicht befürchten, wäre die Botschaft eines solchen Films nämlich nicht, homosexuell zu werden, sondern, dass es okay ist, wenn man es ist. Ganz simpel.
Ich würde es befürworten und den Film unterstützen. Auch wenn ich Frozen insgesamt für überschätzt halte, wäre es eine positive Botschaft für die jungen Zuschauer. Dennoch muss man realistisch bleiben, daher gehe ich davon aus, dass Disney diesen Schritt nicht wagen wird. Sie würden zu viele Verluste machen und geht man nach den Kommentaren der Eltern, würden sie ihren Kindern weder erlauben diesen oder jeden nachfolgenden Disneyfilm zu schauen. Denn es ist unmöglich, dass sich Kinder zwei Mädchen ansehen, die einander aufrichtig lieben – während ihre Eltern ihnen gleichzeitig sorglos Ego-Shooter Games FSK 18 kaufen und sich dann wundern, wenn etwas falsch läuft. Doch das ist eine andere Geschichte.